Mitten in die Gesellschaft gehen (Gießener Anzeiger, 04.01.2017)
Keine Selbsthilfegruppe: Alfred Grummbt, Patrick Hoffmann und Horst Mathiowetz (von links) engagieren sich für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Aktuell geht es darum, eine Beschwerdestelle einzurichten. Foto: Scholz |
Mitten in die Gesellschaft gehen
KONZEPT „Arbeitskreis Psychiatrie Erfahrene“ setzt sich für die Belange von Menschen mit psychischer Erkrankung ein
GIESSEN. Das Ziel des „Arbeitskreises Psychiatrie Erfahrene“ ist klar definiert: „Wir engagieren uns dafür, dass sich Menschen mit psychischer Erkrankung im Rahmen der UN-Behindertenrechts-konvention für sich selbst einsetzen können“, sagt Patrick Hoffmann im Gespräch mit dem Anzeiger. Gemeinsam mit Alfred Grummbt und weiteren Mitstreitern ist der Student aktiv in dem Arbeitskreis, der seit mittlerweile vier Jahren regelmäßig tagt und mithilfe der Caritas und des Fördervereins für seelische Gesundheit ins Leben gerufen wurde.
Aktuell geht es darum, eine Beschwerdestelle für Menschen mit psychischer Behinderung einzurichten, die gerade konzeptioniert wird. Weitere Unterstützer sind willkommen.
Betroffene für Betroffene „Wir sind allerdings keine Selbsthilfegruppe.
Unser Kreis hat eher politischen Charakter“, erklärt Hoffmann. Einmal im Monat trifft sich die Gruppe in der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle der Caritas in der Frankfurter Straße 44, um Themen zu erörtern, die Mitglieder dann in anderen Gremien vorbringen. So ist man unter anderem im Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderung und in der angeschlossenen Arbeitsgemeinschaft Psychiatrie
des Landkreises vertreten. Und: „Jeder, der betroffen ist, ist in unserem Arbeitskreis willkommen und kann seine Ideen einbringen. Die wichtige Frage ist: Was können wir für uns tun?“, unterstreicht Hoffmann, der im siebten Semester Soziale Arbeit studiert. Besonders wichtig an diesem Engagement sei eben, dass sich Betroffene für Betroffene einsetzen.
Die seit den 50er Jahren verbreitete Einstellung, dass Nicht-Betroffene schon am Besten wüssten, was für die Erkrankten gut sei, habe sich mit der Behindertenrechtskonvention geändert. „Das ist nun ein ganz anderes Konzept, das deutlich macht, dass Erkrankte selbst wissen, was für sie gut ist“, sagt Hoffmann.
Grummbt pflichtet bei: Lange sei gerade dieser Ansatz nicht akzeptiert worden, doch die von der Konvention angestrebte Inklusion müsse nun auch mit Leben gefüllt werden. „Wir möchten in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen werden, und zwar nicht mehr als eine Art Sondergruppe“, betont der Gießener.
Patrick Hoffmann unterstreicht, dass es dem Arbeitskreis zentrales Anliegen sei, Menschen mit psychischer Erkrankung zu motivieren, mitten in die gesellschaftliche Gemeinschaft zu gehen.
Negative Verengung
Er wisse allerdings schon, dass Betroffene nach wie vor Vorurteilen ausgesetzt seien, denen es zu begegnen gelte. Von
einer Wahrnehmungsverschiebung in den Medien spricht in diesem Zusammenhang Horst Mathiowetz, Leiter des Betreuten Wohnens im Förderverein
für seelische Gesundheit. So tauchten zum Beispiel Menschen, die unter einer Psychose leiden, nur dann medial auf, wenn sie etwa eine Straftat begangen hätten. Dieser negativen Verengung müsse mit Öffentlichkeitsarbeit entgegengetreten werden, so der Leiter, der eine andere öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit psychischer Erkrankung einfordert. Auch dafür setzt sich der „Arbeitskreis Psychiatrie Erfahrene“ ein. Wer mitdiskutieren will, ist eingeladen und kann beim nächsten Treffen am 20. Januar um 11 Uhr einfach in der Frankfurter Straße 44 (zweiter Stock) vorbeikommen.